Am 1. Dezember hätte sich die Eröffnung der Wieslauterbahn zum 110. mal gejährt. So lange habe ich dann aber doch nicht warten wollen und habe der ehemaligen Vizinalbahn im ach so romantischen pfälzischen Hinterweidenthal einen Besuch abgestattet. Was ich dann vorfand? Geilo! Lasst euch berichten!
Der kleine Bahnhof Hinterweidenthal Ort
Nach der Jahrhundertwende (also jener vom 19. ins 20. Jahrhundert) beschloss man, der Pfalz eine weitere Vizinalbahn zu schenken. Für all diejenigen, denen der Begriff noch nicht untergekommen ist: Vizinalbahnen wurden weniger aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus errichtet, als vielmehr aus dem Bestreben heraus, die ganze Region am wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben zu lassen, den die Bahn mit sich brachte. Für die ländliche Bevölkerung war dies vor allem Mobilität – der Anschluss an die große, weite Welt. In einer Zeit, in der Automobile den „besseren Leuten“ vorbehalten waren und in der es als öffentliche Verkehrsmittel nur Schusters Rappen gab, eine sehr fortschrittliche Denkweise.
Bau und Eröffnung der Wieslauterbahn
Wie schon angedeutet: im Jahr 1907 hatte man die Planungen für die Wieslauterbahn abgeschlossen. Bau und Eröffnung wurden – wie es in Deutschland üblich ist – verzögert und aufgehalten. In diesem Fall war man mehrere Jahre mit der Verstaatlichung der Pfälzischen Eisenbahnen beschäftigt, bis der Bau der Strecke schließlich am ersten Tag des Jahres 1909 begann und mit der Eröffnung 2 Jahre und 11 Monate später sein rühmliches Ende nahm.
- „Nach fast dreijähriger Bauzeit und mit großen materiellen Opfern der Talbewohner, sprich von 300 000 Mark, wird mit dem morgigen Tage die Lokalbahn Hinterweidenthal–Bundenthal dem Verkehr übergeben“
- Pfälzer Volkszeitung
Kursbuchstrecke 280c, 680a und 675.1: von Hinterweidenthal Ost nach Bundenthal-Rumbach
In Hinterweidenthal-Ost zweigte die Wieslauterbahn von der Queichtalbahn (Strecke Landau–Rohrbach) ab und schlängelte sich auf der nur 15,13 Kilometer langen Gesamtstrecke durch das Wieslautertal über Dahn bis hin nach Bundenthal-Rumbach. Von dort aus wäre es auch nicht mehr weit gewesen bis zur damals deutschen, elsässischen Stadt Weißenburg (vormals und heute wieder Wissembourg), das mitsamt dem Elsass als Folge des gewonnen Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 an das Kaiserreich gefallen war. Der Weiterbau war von Seiten der Stadt Weißenburg gewollt, erhoffte man sich doch so einen Anschluss an den internationalen Verkehr. Sehr fortschrittlich waren sie, die Herren im Elsass. Es sollte aber nicht sein. Die Konjunkturlage des Jahres 1870ff. bremste die Bestrebungen bis auf den heutigen Tag aus. So blieb es denn bei diesen Bahnhöfen entlang der Strecke:
- Kilometer 0,0: Hinterweidenthal Ost
- Kilometer 1,930: Hinterweidenthal Ort
- Kilometer 6,0: Moosbachtal
- Kilometer 7,772: Dahn
- Kilometer 8,560: Dahn Süd
- Kilometer 10,8: Busenberg-Schindhard
- Kilometer 13,6: Bruchweiler
- Kilometer 15,1: Bundenthal-Rumbach
Der Kampf der Pfälzer gegen die Stilllegung
An Streckennummern und Namen ist sie reich, die kleine Nebenstrecke und „Lokalbahn“: Wasgaubahn, Wieslautertalbahn und Lauterbahn wurde sie gerufen. Als Streckennummer gab ihr die DB die „3312“. Bei der DB rangierte sie als Kursbuchstrecke mit den Nummern 280c (von 1949 bis 1972), 680a (In den Jahren 1972 bis 1976) und ab 1997 dann 675.1. Zu Zeiten der DB verlor die Strecke zusehends an Bedeutung und wurde vor allem von Ausflüglern genutzt. Das Dahner Felsenland und in Hinterweidenthal der Teufelstisch lockten schon immer die Urlauber ins Land. Dennoch wurde die Strecke im Jahr 1966 teilstillgelegt. Der Individualverkehr hatte ihr den Garaus gemacht! Nur noch ein Ausflüglerzug „Bundenthaler“ fuhr aus Ludwigshafen kommend über die Bahn. Der Güterverkehr lief bis 1995.
Die Anwohner kämpfen für ihre Wieslauterbahn bis heute. So wurde im Jahr 1997 erneut der Personenverkehr reaktiviert, auch wenn dieser nur an Sonn- und Feiertagen fuhr. In der etwas strukturschwachen Region hatte eben der Tourismus der Ausflügler schon ein gewisses wirtschaftliches Gewicht. Zwischenzeitlich fährt die Bahn auch wieder mittwochs und samstags. So trutzten die eben manchmal auch recht dickköpfigen Pfälzer den andauernden Stilllegungsbestrebungen über Jahrzehnte.
Dass der Ort nahe dem Teufelstisch eine Verbindung zur satanischen Unterwelt hat, erkennt man auch bereits an der Postleitzahl von Hinterweidenthal: 66999. In ihr steckt die Zahl des Antichristen! Wenn ich jetzt als Headbanger an Iron Maiden denken muss, bitte ich darum, mir dies nicht übel zu nehmen. „… for it is a human number. Its number is sixhundred and sixtysix …“
Der Bf. Hinterweidenthal Ort
Die Königlich Bayerischen Staats-Eisenbahnen betrieben ab 1911 die Wieslautertalbahn. Meine Begegnung war der Bf. „Hinterweidenthal Ort“, der ganz in der Nähe des Teufelstischs liegt, so dass ich das kleine Bahnhöfchen auf meiner Fahrt zu meinem Ausflugsziel passierte und beschloss, auf der Rückfahrt Halt zu machen und den goldigen Winzling näher zu beäugen.
Der Bahnhof könnte kleiner viel nicht sein, wenn er nicht zum Haltepunkt degradiert werden will. Im Amtlichen Bahnhofsverzeichnis von 1944 erscheint der Bahnhof Hinterweidenthal mit seiner „Rangklasse des Bahnhofs“ IV. Die Deutsche Reichsbahn hatte alle Bahnhöfe in vier Stufen mit römischen Ziffern (I. = Bahnhof 1. Klasse bis IV. = Bahnhof 4. Klasse) eingeordnet. In die Bewertung floss die Bedeutung des Bahnhofs sowohl für den Güter- wie auch für den Personenverkehr ein.
Das einstöckige Gebäude könnte noch aus dem Jahr 1911 stammen, so sieht es jedenfalls aus. Im zweiten Weltkrieg wurde es zerstört, jedoch im Jahr 1958 wieder aufgebaut. In ihm fand damals keine Bahnhofsrestauration Platz. Nur ein Fahrkartenschalter und ein Wartesaal tummelten sich unter dem Walmdach.
An der Einfahrt erkennt man die frühere kombinierte Kopf- und Seitenrampe. Dieser Teil des Bahnhofsgebäudes diente damals als Güterschuppen. Auf der Straßenseite konnte man die Güter auf Lkw oder Pferdefuhrwerk umladen. Die Stelle erkennt man heute an den blauen Schiebetüren.
Festschrift „100 Jahre Wieslauterbahn“
Bei meinen Recherchen stieß ich auf diese interessante PDF, welche viele historische Aufnahmen enthält und so manche Anekdote. Sehr zu empfehlen. Bitte reinschauen.
Die Gleisanlagen im Bahnhof Hinterweidenthal
Die Gleisanlagen sind heutzutage wenig umfangreich. Auf einem Foto aus dem Jahr 1914 erkenne ich drei parallel laufende Gleisstränge. Heute, 107 Jahre später, sind es noch anderthalb…
Die Gleisanlagen sind heute nur noch teilweise vorhanden, zudem in einem erbärmlichen Zustand. Das Hauptgleis führt am Bahnhofsgebäude entlang. Ein Ausweichgleis ist nicht mehr vorhanden. Parallel sieht man noch ein Gleis, dessen Prellbock fast am Stationsgebäude steht, weiter hinten erkennt man, dass dort einmal mehr an Weichen und Geleisen vorhanden war.
Ein Sägewerk ist noch vorhanden und in Betrieb. Allerdings ist es durch einen dichten Maschenzaun vom Bahnhof Hinterweidenthal Ort abgetrennt. Das war sicher mal anders. Ich habe von mehreren Holzverladestellen gelesen. Auch von einem Ausweichgleis im Bahnhof ist die Rede.
Ein Bienenparadies
Das kleine Stellwerk wurde vom Fahrdienstleiter im Dienstraum bedient. Seilspannwerke sieht man draußen noch zur Bahnschranke laufen. Früher wurde sie durch eine Handkurbel im Freien bedient. Die Handkurbel steht noch, ist natürlich nicht mehr im Betrieb.
Die Gleise wirken frisch geschottert und in gutem Zustand, wenngleich das Bahnhofsgebäude übel verkommen ist und weiter hinten die Gleise überwuchert sind. Bienen und Schmetterlinge fühlen sich auf der Blumenwiese zwischen den Schwellen sicher sehr wohl.
Die Loktränke
Ein sehr ungewöhnliches Gebäude findet sich gegenüber der Rampe. Es ist ein etwa mannshohes Gebäude mit gewölbtem Dach, das mehr an bayrische Kirchen erinnert, als an die Eisenbahn. Ich habe gelesen, dass es wohl der Wasserversorgung der Dampflokomotiven gedient hat.
Gleisanschlüsse für Sägewerk & Co.
Von den ehemals zwei langen (Foto von 1914) Gütergleisen ist heute nicht mehr über. AM Ende des Bahnhofsgleises erkennt man, dass es dort wohl mal ein paar Weichen gegeben hat. Ein Prellbock steht unmotiviert in der Landschaft herum. Gras überwuchert vieles.
Alleine der Rangierbetrieb rund um das Sägewerk wird schon ordentlich was an Action gebracht haben. Ab und an dann noch etwas Personenverkehr und auch mal einen Güterwagen für die Rampe. Ach, in meinem Kopf läuft bereits der Film…
Der Teufelstisch bei Hinterweidenthal
Jetzt habe ich schon so viel angedeutet und gespoilert. Jetzt muss ich ihn auch mal vorstellen.
Der „Kaltenbacher Teufelstisch“ bei Hinterweidenthal wirkt aus der Nähe betrachtet recht imposant. Es ist ein 14 m hoher und an einen Tisch erinnernder Pilzfelsen. Er liegt im deutschen Teil des Wasgaus, also dem südlichen Pfälzerwald. Es ist der größte und bekannteste von etwa 20 Pilzfelsen im Pfälzerwald. Er steht seit 2009 auf Platz 7 der deutschen Naturwunder.
Den Sturmi hat es dorthin gezogen, als er mit zweien seiner Enkelz und der Sturmine in der Pfalz urlaubte. Naja, man will den Zwergen ja was bieten. Und so ein Steinchen ist schon beeindruckend. Auf jeden Fall sind die beiden Kleinen auf den umliegenden Gesteinsbrocken mächtig herumgeturnt.
Ich für meinen Teil habe mich ehrfürchtig in sicherer Entfernung aufgestellt. So ganz stabil wirkt der Teufelstisch ja nun nicht. Und wie man weiß, kann in Deutschland so einiges unvermutet mal eben schnell einstürzen…