„Den hab ich an der Kasse gesehen. Da musste ich den mitnehmen und Dir schenken!“ – so drang es am Tag vor Weihnachten an mein Ohr. Der Doncolor war es, der an der Kasse stand und an den Sturmi dachte. Und mit dem gelben Magirus SATURN II hat er mir gleich eine doppelte Freude bereitet. Warum? Das erzähle ich euch jetzt.
„Och, en gelbe Bus!“
Also erstmal ist der Magirus SATURN II ein sehr schöner Bus. Das alleine wäre ja schon Grund genug, bis über alle vier Backen zu strahlen. Dazu noch das Lächeln in Doncolors Gesicht, als er mir das Kleinod in der Trojka in Aschaffenburg überreichte, das reicht eigentlich schon. Aber mit dem gelben Bus hat es so seine Bewandtnis. Und das geht so zwischen fuffzich und sechzich Jährchen zurück. Damals war der Sturmi noch ein kleiner Stürmling, der den Bussen nachschaute, wenn sie mächtig am Elternhaus vorüberfuhren.
Muttern baute dem Stürmling damals (1964) eine Eisenbahnanlage. Märklin natürlich! Klar. Und wie alle in der stürmischen Familie, so machte sie ihren Job recht gründlich. Brücke, Tunnel, Kapellchen, Wassermühle, Kiosk, Bahnhof Schönblick, Lokschuppen, Neubauviertel, Tankstelle, Haltepunkt Hintertupfing, Bahnübergang… alles, was die Haushaltskasse hergab und beim Spielwaren Pätzel in der Augustinerstraße zu ergattern war, wurde geklebt und zum Einsatz gebracht. Na, und das konnte sich sehen lassen.
Auch den Aufbau der Anlage stemmte sie. Verkabelung, Anschlüsse, Signale, Schaltgleise und Gedöns. Das Wasserrad der Mühle drehte sich natürlich. Und alle Häuschen waren beleuchtet. Die Lok, eine 3029, zog ein paar Güterwägen oder auch zwei Personenwägen. Die Blechwägen 4040 natürlich. Ja, eine Baureihe 24 (3003) war auch dabei. Aber soweit war ich noch nicht. Denn es war ja noch keine Weihnachten. Doch dann nahte das Fest. Ich wusste nichts von meinem Glück. Abend war’s. Mit meinem Vater saß ich vor dem erleuchteten Christbaum und da! Plötzlich klingelte es. in Glöckchen erklang und das verhieß Geschenke!
Es ist draußen im Flur. Ich renne raus. Da sehe ich meine Mutter stehen. „Es muss oben sein in der Mansarde“ sagt sie. „Von dort kam es eben her“ und ich flitze ins Treppenhaus, die Stiege hinauf. Oben ist die Mansarde, in der immer so manches Unbenutzte herumsteht. Die Tür ist verschlossen. Merkwürdig! Wie mag das Christkind dorthinein entwischt sein? Aber meine Mutter schließt die Tür auf. Mein Vater kommt auf der Treppe nachgestiegen.
Ich betrete das Zimmer. Licht geht an. Ich sehe die Modellbahnanlage… Schweigen… Offener Mund… Große Kinderaugen…
Natürlich habe ich damals nicht das Gesicht meiner Eltern sehen können. Ich war ja mit der Modellbahn völlig ausgelastet. Aber es dürfte ein zufriedenes Lächeln zu sehen gewesen sein. Bis… Ja, bis eben…
Wie ich Jahre später erfuhr, hatte sie am Tag zuvor noch einen gelben Bus erstanden. Nein, keinen von Brekina. Gabs damals noch ned, glaub ich. Wiking vermutlich. Aber gelb war er. Und er stand auf der Hauptstraße der kleinen Stadt, fuhr in Richtung Bahnübergang…
„Ein Bus! Ein gelber Bus!“ muss es mir entfahren sein. So später die beiden Augenzeugen. Und ab diesem Moment hatte ich nur noch Augen für den gelben Bus. Kein Blick für den Bahnhof Schönblick, den Güterschuppen, die Loks, die Wägen, den Tunnel, die Brücke, die Mühle…
Wie ich Jahre später erfuhr verkehrte sich die Stimmung meiner Mutter ein wenig, als der kleine gelbe Bus der mühevoll errichteten Modellbahnanlage die Show stahl. Ja, ich bekenne mich schuldig. Es war nicht absichtlich, nicht fahrlässig aber sehr nachhaltig.
Ja, und diese Geschichte hatte ich dem Doncolor mal erzählt. Und die hat er sich offenbar behalten. Und offenbar kam sie ihm an der Kasse des Modellbahnladens in Aschaffenburg wieder in den Sinn. Und so kam ich zum zweiten gelben Bus in meinem Leben!
Mainz, Linie 21: Straßenbahnamt / Martin-Luther-Straße
Zur Grundschule ging ich zu Fuß. damals hatte meine Mutter keinen der heute üblichen SUVs und es war allgemein üblich, dass Kinder ihre Beine zum Gehen gebrauchten, nicht zum Dauercouchen. Als ich nach der vierten Klasse ins Schlossgymnasium wechselte, musste ich lernen, den Schulweg mit dem Bus zurückzulegen. Der hielt damals in der Friedrich-Naumann-Straße und ich lief jeden Tag in 2 Minuten von meinem Elternhaus dorthin. Die Linie 21 Richtung „Straßenbahnamt“ fuhr mich bis zur Haltestelle „Schlosstor“, von wo aus ich in 3 Minuten zur Schule trabte. Die Rückfahrt startete ich an der gleichen Haltestelle, nur in Gegenrichtung „Martin-Luther-Straße“.
Auf der Linie 21 verkehrten in Mainz die beige lackierten Magirus SATURN II. Der Name war mir damals nicht geläufig, den lernte ich erst vor wenigen Jahren kennen, als ich mal in die Mainzer Stadtgeschichte eintauchte und recherchierte. Auf vielen Fotos erkannte ich „meine“ Linie 21 sofort wieder.
Na, und jetzt kam mir der Doncolor mit dem Bus an, mit dem ich damals zur Schule gefahren bin. Ich gerate ja ohnehin immer ins Träumen, wenn ich die alten Fotos aus den 60er Jahren aus Mainz sehe und so Vieles wiedererkenne. Das alles schoss mir auch durch den Kopf, als mit der Doncolor die Schachtel mit dem gelben Magirus SATURN II in die Hand drückte.
Hui, da sauste ich durch die Zeit. Fünfzig Jahre kann man da in einer Sekunde durchmessen. Vielleicht wars auch schneller. Jedenfalls hatten wir abends in der Trojka auf einmal mehr Gesprächsstoff wie sonst…
Danke, mein Lieber, auch nochmal an dieser Stelle. Schön, dass es Dich gibt!
Den kleinen gelben hab ich ins Herz geschlossen.
Tja, jetzt habt ihr mal ne andere Weihnachtsgeschichte gehört. Nicht jede endet im Stall.
Euch ne gute Zeit!
Sturmi
1 Kommentar
Sehr gerne mein Freund:)