Wo laden die langen Güterzüge ihre Fracht ab? 1.200 Tonnen Stahl. 500 Tonnen Kohle. Halbzeuge und Bauteile für die Fertigstellung von Maschinen und Anlagen, die dann ins begierige Ausland geliefert werden müssen? Gierig saugen die Fabrikanlagen auf der Modellbahn die Rohstoffe auf. Führen die Werkstoffe und Halbzeuge der Fertigung zu. Jagen die Kohle durch die Schlote der Energieanlagen, um unermüdlich die Räder und Bänder in den Werken anzutreiben. Doch wo sind die Heizhäuser, Schlote und Stromgeneratoren? Heute beginnen wir mit dem Bau der Schlote. Ein Anfang muss ja gemacht werden!
H0 Industriegebäude: Schlote & Co. aufstellen
Sind wir doch mal ehrlich. Wir stellen unsere Modellbahn mit Industriebauten voll und verlegen Gleisanschlüsse an Laderampen und Güterschuppen. Doch die Industrieanlagen sind stumm und still. Keine Rauchwolke steht über den Hallendächern. Doch Produktion, das ist auch Energie, Transformation von Kohle zu Strom. Das sind Förderbänder, die angetrieben werden. Das muss krachen und zischen. Das muss man sehen. Da müssen hohe Schlote aus dem Pulk der Werkhallen zum Horizont hin aufragen. Müssen schwarzen Rauch gen Himmel schleudern. Von Schaffenskraft zeugen. Von Frühschicht. Von Produktion. Nicht ein Kamin muss da einsam stehen. Über die gesamte Kulisse des Werks verteilt müssen Schlote aufragen, müssen deutlich zeigen, dass hier in Schichten produziert wird. Man muss die Schweißperlen auf der Stirn der Arbeiter förmlich vor sich sehen, wenn man die Kulisse betrachtet.
Ja, und genau das habe ich mir vorgenommen. Industrieareale sind mir ein liebes Anschauungsobjekt. Schon immer gewesen. Die roten oder gelben Backsteingebäude, vom Ruß geschwärzt, drinnen Funken stiebend, Feuer und Flammen bändigend.
Von Peter erhielt ich von der ererbten H0-Modellbahnanlage seines Vaters eine stattliche Sammlung an Industrieschloten. Die Kamine unterschiedlicher Höhe und Größe passten perfekt zu meinen Plänen, meine Industrieanlagen in meinem fiktiven Modellbahn-Land „Unikornien“ mit Kaminen & Schloten auszustatten. Die Modelle waren teilweise aus Bauteilen unterschiedlicher H0-Bausätze zusammengesetzt. So sahen sie ein wenig unregelmäßig aus. Aber gerade das macht ja auch Industrie aus. Über Jahre und Jahrzehnte gewachsen. Immer was drangebaut. Nie aus einem Guss. Verknorzt und krumm. Schmutzig. Jedes Teil für sich einzigartig.
Schau mer mal, was wir hier draus machen.
Ein fester Stand, aber beweglich bitte
Die Schlote sollen immer am rechten Platz stehen. Das kann bei meinen spontanen Gedanken mal mehr links auf der Modellbahnanlage sein. Mal mehr rechts. Mal mehr hinten, mal mehr vorne an der Einfahrt zum Fabrikhof. Sie müssen also versetzbar sein. Ja, aber sie dürfen nicht umfallen. Das zerstört dann die Stimmung ganz und gar. Am besten einen Sockel drunter? So 10x10cm? Uuuuuh, das ist sperrig. Und der Sockel ist immer im Weg, wenn man die Schlote umstellen will. So kann man die nie direkt an ein Fabrikgebäude ranstellen. Das sieht aber gar nicht mehr industriemäßig aus.
Aaaaaber man kann ja die Schlote auf ein Fundament stellen, das kein Kippen zulässt. Etwa weil es aus Metall gefertigt ist und so schwer, dass der physikalische Schwerpunkt niedrig liegt, was ein Kippen verhindert. Ja genau. Diesen Gedanken habe ich umgesetzt. Ich nahm schwere 50mm Unterlegscheiben aus Metall. Die lagen schon schwer in der Hand. Gefühlt müssten die Schlote auf diesem Fundament einem Orkan standhalten können.
Nach einem ersten Probestellen war ich vom optischen Gesamteindruck her zufrieden. Die Unterlegscheiben drängten nicht zu sehr in den Vordergrund. Deren Oberfläche bedeckte ich mit Strukturpaste, so dass später ein unruhiger Untergrund entstehen würde, der ins schmutzige Bild von der Industrieanlage passte.
Mit reichlich PONAL klebte ich die Schlote auf ihre neuen Füße.
Wie bemale ich H0 Industrieanlagen?
Duster. Duster müssen sie wirken, fast etwas bedrohlich. Die Basisfarben sind
- Revell Aquacolor Ziegelrot für Backsteinmauerwerk. Die gelbe Variante, die ich auch sehr mag, ließ ich um der Einheitlichkeit innerhalb des zusammengehörigen Werks willen außen vor.
- Revell Aquacolor Mittelgrau für Bruchsteinmauerwerk und für den „Beton“-Boden unter den Schloten (die Unterlegscheiben).
- Revell Aquacolor 36314 Beige als Grundfarbe für Holztüren, darauf eine Lasur (stark mit Wasser verdünnte Farbe) von Revell Aquacolor Lederbraun.
Schmutz und Patina auf den H0 Schloten
Der Schmutz kam in Form eines Black Wash auf Mauerwerk und Bodenplatten (Unterlegscheiben). Die kraftig abdunkelnde Flüssigkeit trug ihre Farbpigmente in die tiefliegenden Ritzen und Rillen. Erhaben und hell blieben Steine und Strukturen der Bodenplatten. Dies verstärkte ich noch durch ein Trockenbürsten mit Mittelgrau auf Beton und Bruchstein bzw. dem etwa orangigen Revell Aquacolor 38185 Braun auf dem Backsteinmauerwerk.
Die so entstehenden vielen unregelmäßigen Strukturen mit dem vielen Schwarz in allen Ritzen geben schon viel Patina ab.
Hecken und Blüten
Unkrautjäten ist im Gartenbeet angesagt, aber nicht auf einem Industrieareal. So kommt es, dass sich in den Ecken und Ritzen so manches Kraut einnistet und Hecken hochwachsen. Auf einmal sind sie da und manche blüht vor sich hin. Natürlich schaut niemand dorthin. Die Rangierer und Lokführer mit ihren rußverschmierten Gesichtern und schwarzen Händen haben ihre Augen auf den zahllosen Armaturen im Führerstand der Lokomotive. Und die haben sowieso eher wenig Sinn für die farbenfrohen Tupfen Schönheit im grauen Alltag.
Ich mag das aber sehr und desterwegen kommt das Zeuch da drauf.
Im Zubehörhandel kriegt man Hecken & Co. am laufenden Meter. Einfach kaufen, zuschneiden und mit PONAL an die Wände dübeln.
Kleines Fotoshooting in den Weisenauer Windwerken in Unikornien
Die fertigen Schlote habe ich dann mal in Gruppe hingestellt und ne Werkshalle dazu. Ja, mit den Fahrzeugen habe ich die Industrieanlage dann in die Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts katapultiert. Reichsbahner sehen hier ihre schnaufenden Dampfrösser vor stimmiger Kulisse.
Aber auch modernere Kaelble-Zugmaschinen fühlen sich in der Epoche der jungen Bundesbahn sehr wohl.